Als kleine Gruppe aus dem AKS Hamburg nahmen wir im März 2014 an der Aktionskonferenz Care Revolution in Berlin teil. Wir sind eine alters- und geschlechtsmäßig buntgemischte Gruppe aus verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit. Im Vorfeld haben wir uns nicht explizit mit der Care-Thematik auseinandergesetzt. Allerdings haben wir sowohl in der Lohnarbeit als auch im Privaten mit Care zu tun und setzen uns in politischen Kontexten mit Fragen nach unseren und anderen Ansprüchen an fachliche Arbeit sowie mit sozialpolitischen Themen und auch Arbeitsbedingungen sozialer Arbeit, Entlohnung oder z.B. Auswirkungen der Schuldenbremse auf unsere Arbeit auseinander. Unser Feedback nach den drei Tagen in Berlin zur Konferenz und der Care-Thematik an sich ist gemischt und kritisch. Für uns ist es ungeklärt, ob ein gemeinsames Verständnis von Care besteht, oder bestehen soll und auch in der Argumentation ist für uns vieles unklar geblieben.
Wir konnten schnell an unserer eigenen Gruppe sehen: Der Begriff der Care-Arbeit lässt viele Assoziationen, Phantasien und Interpretationen zu und bietet somit eine Vielzahl an Zugangsmöglichkeiten. Und hier ist unserer Meinung nach eine der Stärken des Begriffes zu finden, der aber gleichzeitig zu seiner größten Schwäche werden kann. Jeder Mensch kommt im Laufe seines Lebens auf unterschiedliche Weise mit den sozialen und gesundheitlichen Hilfesystemen in Kontakt, entweder als Empfänger*in oder als Mitarbeiter*in. Von der Kita bis zur Pflegeeinrichtung, von der bezahlten oder unbezahlten Hausarbeit, bis zur Rolle als Mutter, Vater, Pflegende*r von Angehörigen, also dem Bereich, der der privaten Reproduktionsarbeit zugeschrieben wird.
Gleichzeitig sehen wir hierin aber auch eine der Schwächen des Care-Ansatzes. Er stellt unterschiedlichste Bereiche nebeneinander und behauptet, oder betont erst einmal das Gemeinsame. Ob dieses Gemeinsame tatsächlich so stark ist, darf zumindest angezweifelt werden. Die Lebens- und Arbeitsverhältnisse die hier aufeinander treffen, haben in der gesellschaftlichen Realität, oder den realen Lebenswelten oft wenige Berührungspunkte. Und wenn sie doch aufeinander treffen, dann oft in einem Verhältnis, dass eher dem eines Kunden und eines Anbieters entspricht (wobei wir die zunehmende Warenförmigkeit von „Care“ nicht diesem Ansatz anlasten wollen und können, der diese ja gleichzeitig kritisiert). Dieses Nebeneinanderstellen „der Vielen“ macht den gesamten Diskurs auf eine Art schwammig und wenig greifbar, was sich unserer Meinung nach auch im Abschlusspapier der Konferenz zeigt.
Um nicht missverstanden zu werden: Als in der Sozialen Arbeit Tätigen liegt uns die Care-Thematik nahe und ist uns wichtig. Grundsätzlich begrüßen wir den Einsatz im Diskurs und befürworten den Versuch, auch über die Grenzen von unterschiedlichen sozialen Positionen und Sprechorten ins Gespräch zu kommen und Handlungsoptionen auszuloten. Aber gerade hier liegen, ob der Größe des Themas und seiner Vielgestaltigkeit, auch die vielen Fallstricke, die dazu einladen den differenzierten Blick zu verlieren, Unterschiede zu kaschieren und zu übergehen. Damit dies nicht geschieht, reicht eine bloße Intervention oder ein Einsatz im Diskurs nicht aus. Deshalb sind wir gespannt, welche Folgen die Konferenz, die ja explizit als Impulsgeber gedacht war, haben wird und verfolgen die weitere Entwicklung teils als Beobachter*innen teils als aktiver Teil und verbleiben mit den Zapatisten: „Preguntando caminamos“ (Fragend schreiten wir voran).