Aufruf zur Aktionskonferenz ‚Care Revolution‘ am 14. – 16.03.2014 in Berlin

16 Dez

Vom 14. bis 16. März 2014 findet in Berlin die Aktionskonferenz ‚Care Revolution‘ statt, zu der wir hiermit herzlich einladen möchten.

Nähere Informationen sind auf der Seite zur Konferenz zu finden: http://care-revolution.site36.net/.

Hier der Einladungstext:

Her mit dem guten Leben – für alle weltweit!

Veranstalter: AK Reproduktion, Feministisches Institut Hamburg und Rosa‐Luxemburg‐Stiftung

Krise sozialer Reproduktion

Um für uns und andere zu sorgen, brauchen wir Zeit und Ressourcen aller Art. Dies ist grundlegend für  die  Verwirklichung  unserer  Bedürfnisse  und  Interessen  –  für  ein  gutes  Leben.  In  einem kapitalistischen System spielen menschliche Bedürfnisse jedoch nur insofern eine Rolle, als sie für die Herstellung  einer  flexiblen,  kompetenten,  leistungsstarken,  gut  einsetzbaren  Arbeitskraft  von Bedeutung  sind.  Sorgearbeit  wird  gering  geschätzt  und  finanziell  kaum  unterstützt.  Dies  gilt insbesondere  in  der  derzeitigen  Krise  sozialer  Reproduktion,  die  wir  als  einen  zugespitzten
Widerspruch zwischen Profitmaximierung und Reproduktion der Arbeitskraft verstehen. Diese soziale Reproduktionskrise hat viele Facetten:

  • Staatliche Dienstleistungen decken nicht den steigenden gesellschaftlichen Bedarf an Bildungund  Erziehung,  Gesundheit  und  Pflege:  An  Kinderbetreuung  und  schulischer  Bildung  wirdgespart; alte und kranke Menschen werden nicht mehr ausreichend versorgt; Menschen mit Beeinträchtigungen  erhalten  zu  wenig  Assistenz.  Für  die  staatliche  Subventionierungprofitabler  Güterproduktion,  wie  der  Automobilindustrie,  stehen  in  der  Krise  Milliarden  zur Verfügung,  ebenso  wie  für  die  Rettung  von  Privatbanken.  In  Kindergärten,  Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen,  Krankenhäusern  und  Pflegeheimen  wird  nur  ein  Bruchteil  dessen investiert. 
  • Trotz  Fachkräftemangel  stagnieren  die  Löhne  von  Erzieherinnen,  Pflegekräften  und  anderen sozialen  Berufen;  sie  sichern  oft  nicht  die  eigene  Existenz,  zumal  die  Kosten  für  Wohnraum und die allgemeine Lebensführung permanent steigen. Pflege‐ und  Sorgearbeiten unterliegen einem  Rationalisierungsdruck,  der  zu  Überforderung  und  Erschöpfung  führt  und  zu  Lasten der Qualität der geleisteten Arbeit geht.
  • Auch in anderen Berufen nehmen Arbeitsverdichtung und Belastungen ständig zu, steigendeStresserkrankungen wie Depression und Burn‐Out zeugen davon.
  • Außerdem  wachsen  die  Anforderungen  der  nicht  entlohnten  Haus‐  und  Sorgearbeit  in Familie,  Nachbarschaft  und  Ehrenamt.  Für  viele  Frauen  bedeutet  das  eine  enorme Doppelbelastung  –  zugespitzt  gilt  dies  für  Alleinerziehende.  Vielen  bleibt  kaum  Zeit  zur Selbstsorge.  Menschen  mit  höheren  Einkommen  können  diese  Belastungen  teils  dadurch reduzieren, dass sie Haushalts‐ und Pflegehilfen für sich und ihre Angehörigen bezahlen. Oft sind es  Migrantinnen, die  völlig unabgesichert  und  zu Niedriglöhnen in  privaten Haushalten arbeiten und hier extrem ausgebeutet werden. Solche Care‐Migrationsketten setzen globale Ungleichheiten nicht nur voraus, sondern auch fort.
  • Menschen,  die  wegen  der  Erziehung  von  Kindern,  der  Pflege  von  Angehörigen  oder  aus anderen  Gründen,  den  Anforderungen  des  Arbeitsmarktes  nicht  entsprechen  können  oder wollen, sind nach kurzer Zeit den rigiden Bestimmungen von Hartz‐IV unterworfen.

Care Revolution als soziale Bewegungen

Ausgehend von diesen alltäglichen Krisenphänomenen setzen wir uns für einen Perspektivenwechsel ein:  Menschliche  Bedürfnisse  und  Interessen  müssen  im  Zentrum  der  Krisendiskussion  stehen.  Mit einem  Aufruf  zur  Care  Revolution  geht  es  außerdem  darum,  Reproduktionsarbeit  neu  zu  bewerten und  umzugestalten.  Aus  feministischer  Perspektive  plädieren  wir  dafür,  die  für  alle  Menschen wichtigen  Aufgaben  in  Bildung  und  Erziehung,  Gesundheit  und  Pflege,  aber  auch  Ernährung  und Wohnraum zum Ausgangspunkt unseres politischen Handelns zu nehmen. Hier liegen die Grundlagen menschlichen  Lebens.  Ein  polit‐ökonomisches  System  muss  in  der  Lage  sein,  diese  Bedürfnisse  zu befriedigen. Wenn dies wie derzeit nicht geschieht, muss es erneuert bzw. transformiert werden.

Aufgabe der Aktionskonferenz

Wir  laden  hiermit  vor  allem  regional  und  kommunal  agierende  Gruppen  in  den  Bereichen  Bildung und  Erziehung,  Gesundheit  und  Pflege,  Soziale  Arbeit,  Ernährung  und  Wohnraum  zu  einem Wochenende  des  Austauschs,  der  Reflexion  und  der  politischen  Aktion  ein.  Wir  sehen  vielfältige Aktivitäten,  die  an  konkreten  alltäglichen  Lebensbedürfnissen  ansetzen:  Vom  Erzieherinnenstreik 2009  zu  den  oft  regional  ausgerichteten  Warnstreiks  von  Pflegekräften,  den  Ansätzen  einer Organisierung  von  Haushaltsarbeiterinnen  und  den  kommunalen  Auseinandersetzungen  um Kinderbetreuung;  von  den  vielfältigen  politischen  Auseinandersetzungen  einer  breiten  Bewegung „Recht  auf  Stadt“,  den  kraftvollen  Proteste  gegen  Zwangsräumungen,  migrantischen  Kämpfen  um Bewegungsfreiheit  bis  zum  Zusammenschluss  selbstorganisierter  Hausprojekte  im  Miethäuser Syndikat  und  einer  Commons‐Bewegung,  die  im  Bereich  der  Daseinsvorsorge  alternative Lebensformen erprobt. Aber auch kleinere Initiativen, die sich mit der Aufwertung und Umgestaltung von  Sorgearbeit  beschäftigen  oder  sich  als  Patient_innen  zusammengeschlossen  haben,  sind  von Bedeutung.

Mit dieser Aktionskonferenz Care Revolution verfolgen wir folgende Ziele:

  • Es gibt regional und je nach Themenbereich sehr unterschiedliche Initiativen. Diese können, so  unsere  Hoffnung,  auf  einer  Konferenz,  in  der  Austausch  im  Zentrum  steht,  viel voneinander lernen.
  • Dabei ist es uns wichtig, gerade im Bereich Kindererziehung sowie Pflege die Sichtweisen und Probleme beruflicher Care Worker wie Erzieher_innen und Pflegekräfte mit den Erfahrungen von  Menschen  mit  hohen  familiären  Sorgeverpflichtungen  zusammenbringen.  Wir versprechen  uns  dadurch  eine  neue  Stärke  von  unten  für  die  weiteren  politischen Auseinandersetzungen  um  den  Ausbau  öffentlicher  Dienstleistungen  in  KiTas,  Schulen, Krankenhäusern,  Altenheimen  sowie  um  eine  bessere  Entlohnung  und  humane Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten.
  • Uns  ist  ebenfalls  wichtig,  Aktivist_innen  aus  unterschiedlichen  sozialen  Auseinandersetzungen  um  die  Daseinsvorsorge  miteinander  ins  Gespräch  zu  bringen.  So  können Elterninitiativen  eventuell  von  Mietauseinandersetzungen,  Zusammenschlüsse  von Patient_innen  von  selbstorganisierten  Hausprojekten,  Erzieher_innen  von  den  Pflegestreiks lernen und andersherum.
  • Es  geht  in  der  Aktionskonferenz  also  primär  um  den  Austausch  von  Perspektiven  und Erfahrungen  und  Vernetzung.  Gleichzeitig  wollen  wir  damit  all  diese  für  das  menschliche Leben  so  notwendigen  Bereiche  sichtbar  machen.  Eine  Erhöhung  der  Sichtbarkeit  von Reproduktionsarbeit  sowie  eine  Verknüpfung  der  politischen  Aktivitäten  im  Care‐Bereich können zur Stärkung der bereits bestehenden sozialen Kämpfe beitragen.

Ablauf der Aktionskonferenz – von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 13 Uhr

Freitag: Kaleidoskop der politischen Care Aktivitäten

  • Vorstellung der beteiligten Gruppen
  • Verbindung sozialer Interessen und Aktivitäten

Samstag: Workshop‐Tag mit Theorie und Praxis

Inhaltliche  Arbeitsphase  in  Workshops  (mögliche  Themen  der  Workshops:  Selbstsorge, Kindererziehung, Schulische Bildung, Gesundheit, Pflege, Wohnen, Ernährung, Arbeitsbedingungen in Care Berufen, Commons), möglichst mit Verknüpfung von nicht entlohnter und entlohnter Care Work und/ oder Verschränkung verschiedener Thematiken

Am späten Nachmittag: Care wird sichtbar: Gemeinsame Aktionen auf einem Berliner Platz

Abends: Die Konferenz tanzt!

Sonntag: Nächste Schritte der Care Revolution

  • Arbeit an konkreten Vorschlägen und Vereinbarungen aus den Workshops
  • Bündeln der Ergebnisse aus den Workshops
  • Wie weiter? Vernetzung

Begleitende Basic‐Workshops

Am  Freitag  werden  am  frühen  Nachmittag  von  14  bis  16  Uhr  fünf  parallel  laufende  Workshops angeboten, in denen es um Wissensvermittlung und Diskussion relevanter Erfahrungen geht.

Themen der Workshops:

  • Kämpfe um Zeit – für das ganze Leben
  • Care‐Arbeit in der Krise – Care Revolution als Perspektive
  • Care auf die Straße tragen
  • Ökonomisierung des Sozialen
  • Care‐Kämpfe – international

Die  Aktionskonferenz  sowie  die  Basic‐Workshops  werden  in  den  Räumen  der  Rosa‐Luxemburg‐Stiftung in Berlin, Franz‐Mehring‐Platz 1 stattfinden.

In Kooperation mit folgenden Initiativen, Netzwerken und Organisationen: 4in1‐Initiative Hannover, ABC  des  guten  Lebens,  AK  Feminismus  der  Naturfreundejugend  Berlin,  Arbeitskreis  Care  der Unabhängigen  Frauen  Freiburg,  Arbeitskreis  Kritische  Soziale  Arbeit  Dresden,  Arbeitskreis  Kritische Soziale  Arbeit  Erfurt,  Arbeitskreis  Kritische  Soziale  Arbeit  Hamburg,  ATTAC  AG  Gender,  ATTAC  AG „Genug  für  alle“,  BAG  Berufliche  Perspektiven  für  Frauen  e.V.,  Basisgruppe  Antifa  Bremen  –  …ums Ganze!,  BasisGruppe  Emanzipation  Aschaffenburg,  Berliner  Frauennetzwerk,  Bildungskollektiv  Biko, Büro für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin, Denknetz Schweiz, Das feministische Blatt „Wir Frauen“, Frauengruppe  Zumutung  Reutlingen‐Tübingen,  Frauenzentrum  Paula  Panke  Berlin,  Grossmütter Revolution  Schweiz,  Gruppe  d.i.s.s.i.d.e.n.t.  in  der  Interventionistischen  Linken  Marburg,  Industrial Workers  of  the  World  Köln/Pflege‐Betriebsgruppe,  Infoladen  Sabotnik  Erfurt,  Initiative  Armut  durch Pflege,  Kotti  &  Co  Berlin,  Marche  Mondiale  des  Femmes  –  Koordination  in  Deutschland,  Netzwerk Grundeinkommen,  Nicos  Farm  e.V.  Hamburg,  QueerFem  AG  Interventionistische  Linke  Tübingen, QueerFeminismus  AG  der  Interventionistischen  Linken  Berlin,  Queer‐feministische  Gruppe  rapidas Hamburg,  Queer‐feministische  Gruppe   ́wider  die  natur ́,  Redaktion  der  Zeitschrift  Widersprüche, Redical  [M]  Göttingen  –  …ums  Ganze!,  Respect  Berlin,  Tagespflege  Lossetal,  ver.di  Arbeitsgruppe Bildung  und  Erziehung  Tamm,  ver.di  Betriebsgruppe  Charité  Berlin,  ver.di  Bezirksfrauenrat Hannover/Leine‐Weser,  ver.di  Landesbezirksfrauenrat  Niedersachsen‐Bremen,  ver.di‐Pflegenetzwerk der  Medizinischen  Hochschule  Hannover,  Verein  Demokratischer  Ärztinnen  und  Ärzte,  WIDE Switzerland,  Wir  pflegen  –  Interessenvertretung  begleitender  Angehöriger  und  Freunde  in Deutschland e.V., Women in Exile Potsdam

Einladungstext als PDF

Eine Antwort zu “Aufruf zur Aktionskonferenz ‚Care Revolution‘ am 14. – 16.03.2014 in Berlin”

  1. Paul 7. Januar 2014 um 10:17 #

    Hallo

    Die Konferenz klingt interessant.

    Ich bin der Meinung, dass vieles damit zutun hat, welche Ansprüche und Ziele man für das eigene Leben hat und wie wichtig einem Geld, Zeit, Interessengebiete und Beruf hat.
    Ich selber kann das aber nur für mich entscheiden und vorleben. Ich kann nicht in die Welt hinaus gehen und sagen, so müsst ihr leben.
    Ich selber springe von Aushilfsjob zu Aushilfsjob, aber das tue ich weil ich es so möchte. Ich möchte nur halbtags arbeiten und nehme die finanziellen Einbuße in Kauf.
    Gerade das Internet mit seinen zahlreichen Jobbörsen (http://ingolstadtjobs.de/mini-jobs) hilft mir dabei.
    Das ist aber ein bewusster Weg den ich gehe, da ich Zeit für mich haben will.
    Ich kann immer nur den Leuten vorleben, nicht belehren. Wäre gut wenn ihr das bei eurer Konferenz bedenken würdet. Man kann dem MEnschen Alternativen anbieten … den Weg gehen muss er selber

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